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Aus Sicherheitsgründen: Bundesregierung muss der Chatkontrolle eine Absage erteilen

3. Oktober 2025, 02:44 Uhr, khaleesi

Der dänische Vorsitz im EU-Rat will am Dienstag, 14. Oktober, über die Chatkontrolle abstimmen lassen. Der vorgeschlagene Text ist eine unveränderte Katastrophe für jegliche vertrauliche Kommunikation. Doch die Bundesregierung schweigt sich weiter aus, ob sie sich dem gefährlichen Plan entgegenstellen wird.

Obwohl die wichtige Entscheidung über die Chatkontrolle unmittelbar ansteht, mauern alle Ministerien. Weder das Innenministerium noch das Justizministerium noch der „Digitalminister“ äußern sich dazu, wie die deutsche Position im EU-Rat sein wird.

Die EU-Kommission plant im Rahmen der Chatkontrolle, milliardenfach in Chats sämtliche Bilder und Filme zu scannen, um Darstellungen von Kindesmissbrauch zu finden. Inzwischen ist unbestritten, dass diese Idee falsch, gefährlich und zudem fehleranfällig ist. Trotzdem verweigert die neue Bundesregierung im jahrelangen Streit darum die Auskunft, wie sie sich dazu stellt.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Der aktuelle Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft umfasst alle problematischen Maßnahmen, die bisher in der EU keine Zustimmung gefunden haben: das Scannen nach bekannten und auch unbekannten Missbrauchsdarstellungen sowie das Scannen nach URLs.

Durch den Einzug einer inzwischen verbreiteten fast lückenlosen Verschlüsselung in Messenger-Dienste greifen einige Überwachungsmechanismen ins Leere. Für eine Umsetzung der geplanten Scans braucht es direkten Zugriff auf die Daten schon vor der Verschlüsselung.

Hierfür soll das sogenannte Client-Side-Scanning dienen, was nichts weiter als ein beschönigender Begriff dafür ist, direkt auf dem Gerät zu überwachen. Welches technische Verfahren dazu verwendet werden soll, ist bisher nicht bekannt. Aber dieses Scanning kann anders als behauptet niemals minimal-invasiv sein, denn ein solcher Scanner muss ja gegen den Willen des Nutzers agieren. Notwendigerweise müssen dafür Hintertüren in den Protokollen oder auf den Geräten platziert werden.

Das bedeutet: In Signal, WhatsApp oder Threema müssten beispielsweise absichtliche Sicherheitslücken platziert werden, um die Verschlüsselung auszuhebeln. Viele Millionen Menschen nutzen diese Messenger privat und beruflich jeden Tag, um sich auszutauschen und auch höchstpersönliche Nachrichten und Bilder mit Freunden und Familie zu teilen.

Das Scannen nach dem gesuchten Material ist technisch ebenso komplex wie fehleranfällig. Es wäre vor allem aber ein Dammbruch, der sichere Kommunikation für alle faktisch unmöglich machen würde.

Konsequenzen für IT-Sicherheit und Grundrechte

Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation muss aber verlässlich sein. Sie ist ein entscheidender Baustein der IT-Sicherheit in einer digitalisierten Welt, den man nicht mutwillig mit Hintertüren versehen darf.

Die Bundesregierung hat die IT-Sicherheit zu einem ihrer Kernthemen ausgerufen. Im Koalitionsvertrag versprach sie: „Grundsätzlich sichern wir die Vertraulichkeit privater Kommunikation […] im Netz.“ Sie darf und sollte es nicht zulassen, dass ein derart gefährlicher Vorstoß auf EU-Ebene durchgesetzt wird.

Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, sagt: „Sollte ein solches Gesetz zur Chatkontrolle auf den Weg gebracht werden, bezahlen wir nicht nur mit dem Verlust unser Privatsphäre. Wir öffnen auch Tür und Tor für Angriffe auf sichere Kommunikationsinfrastruktur.“

Noch kurz zur Erinnerung: Client-Side-Scanning ist nicht nur fehleranfälliger Mumpitz, sondern wäre auch von vornherein rechtswidrig. Denn eine Pflicht zur Chatkontrolle in dem geplanten abstrusen Ausmaß ist unverhältnismäßig und widerspräche auch der EuGH-Rechtsprechung. Ein allgemeines Scannen sämtlicher Inhalte von Chat-Kommunikation stellt den denkbar schwersten Grundrechtseingriff dar, der selbst die dreiste Idee der Vorratsdatenspeicherung noch in den Schatten stellt.

Diese Art von Eingriff widerspricht nicht nur der EuGH-Rechtsprechung, sondern wird auch vom Juristischen Dienst des Rats sowie dem UN High Commissioner of Human Rights als rechtswidrig angesehen.

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