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Unrechtmäßige Hausdurchsuchung: Polizei reitet erneut beim Chaos Computer Club ein

2018-07-07 03:50:12, nexus

Erneut mussten Mitglieder des Chaos Computer Clubs eine Durchsuchung über sich ergehen lassen – diesmal in Dortmund. Polizeieinheiten durchsuchten die Räume und hielten die Mitglieder mehrere Stunden lang fest. Eine Straftat wird ihnen zwar nicht vorgeworfen, der Einsatzleiter sprach jedoch Drohungen aus. Nicht nur angesichts der neuerlichen polizeilichen Übergriffe rufen wir dazu auf, sich der heutigen Demo in Düsseldorf gegen die geplanten Ausweitungen polizeilicher Befugnisse anzuschließen.

Am Abend des 4. Juli 2018 wurde das Kulturzentrum „Langer August“ in Dortmund von bewaffneten Einsatzkräften der Polizei gestürmt und für mehrere Stunden im Rahmen einer Hausdurchsuchung abgeriegelt. Ziel der Maßnahme war offenbar die Beschlagnahme eines Servers des Dortmunder Wissenschaftsladens, welcher sich im dritten Stock des Hauses befindet. Der Server wurde von einem gemeinnützigen Verein aus Rostock betrieben, der seinerseits Webspace für Projekte zur Verfügung stellt. Es handelt sich also lediglich um Server-Housing durch den Dortmunder Wissenschaftsladen.

Im Kulturzentrum „Langer August“ ist auch der Chaostreff Dortmund (CTDO [0]) des Chaos Computer Clubs ansässig, dessen Mitglieder für mehrere Stunden in ihren Räumen festgehalten wurden, während diese von bewaffneten Polizeibeamten durchsucht wurden. Die Anwesenden im CTDO waren keine Zeugen und schon gar keine Beschuldigten einer Straftat.

Den anwesenden Mitgliedern wurde dennoch jegliche elektronische Kommunikation unterbunden und die Verwendung von Telefonen und Rechnern untersagt. Einzelne Räume des CTDO wurden durchsucht, auch ohne dass unseren Mitgliedern die Gelegenheit gegeben wurde, das Vorgehen der Polizisten zu bezeugen. Darüber hinaus wurden die Personalausweise der Anwesenden für die Dauer der Durchsuchung eingezogen und ihre Personalien aufgenommen.

„Wir wurden behandelt wie Straftäter, obwohl uns rein gar nichts vorgeworfen wird. Die Polizei marschierte in unsere Räume mit dem Wissen, dass der Durchsuchungsbeschluss sie gar nicht umfasste“, sagte Tim Windelschmidt, Mitglied im CTDO und bei der Durchsuchung anwesend.

Der später auf Verlangen vorgezeigte Durchsuchungsbeschluss bezog sich explizit auf die Räume des Wissenschaftsladens und nicht auf die des CTDO. Das Anfertigen einer Kopie des Beschlusses wurde auch auf mehrfache Nachfrage verwehrt. Unterdessen hat der Wissenschaftsladen die Beschlüsse veröffentlicht.

Erst nach Eintreffen eines technischen Sachverständigen haben die Polizeibeamten eingesehen, dass keine Notwendigkeit bestand, die Server-Racks des CTDO zu zerlegen. Sie beschränkten sich darauf, Fotos von Teilen der technischen Infrastruktur anzufertigen – ohne Nachfrage, Erlaubnis oder rechtliche Befugnis.

Unsere Mitglieder wurden für mehr als zwei Stunden in den Räumen des CTDO festgehalten, während der Rest des Hauses durchsucht und unter Zuhilfenahme der Feuerwehr gewaltsam in den Serverraum des Wissenschaftsladens eingebrochen wurde. Schon dieses stundenlange Festhalten unserer Mitglieder und die Durchsuchung unserer Räumlichkeiten ohne Durchsuchungsbeschluss und teilweise ohne Zeugen ist unverhältnismäßig. Zusätzlich galt ohne jede Grundlage ein Kommunikationsverbot. Besonders dreist sind aber vom Einsatzleiter des LKA mündlich vorgebrachte Einschüchterungsversuche und offene Drohungen gegen unsere Mitglieder.

Obwohl keinem der Mitglieder irgendeine Straftat zur Last gelegt wurde und auch keiner von ihnen als Zeuge gilt, drohte ihnen der Einsatzleiter mit dem Eintrag in nicht näher benannte polizeiliche Dateien, die den Verlust der Berufs und weitere nicht spezifizierte „ernste Konsequenzen“ nach sich ziehen könnten.

„Wer als leitender Polizist mit solchen Drohungen gegenüber Unbeteiligten hervortritt, während sich die eigenen Beamten wissentlich über die Grenzen des richterlichen Beschlusses hinwegsetzen, beschädigt sich und den Ruf seiner Behörde“, sagte Dirk Engling, Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC).

Als Verfechter freier und dezentraler Kommunikationsstrukturen solidarisiert sich der CCC mit dem Wissenschaftsladen Dortmund und dem Projekt „free.de“. Das unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei zeigt sich insbesondere am unnötig gewaltsamen Eindringen in die Räume des Wissenschaftsladens Dortmund, aber auch in unsere Vereinsräume sowie durch die Abwesenheit von unabhängigen Zeugen während der Durchsuchungsmaßnahmen. Im Wissenschaftsladen Dortmund wurde zusätzlich Mitgliedern und deren Anwältin der Zutritt verwehrt. Die Durchsuchungen betrafen auch viele weitere Vereine und Initiativen, die im Haus ansässig sind. Dazu gehört auch das „Bündnis gegen Rechts“, das zusätzlich von Beschlagnahmungen betroffen ist.

Der CCC ruft zu Spenden für free.de und den Wissenschaftsladen auf, um die fünf zerstörten Türen ersetzen und die Kosten der rechtlichen Gegenwehr bezahlen zu können.

Der ungebetene „Besuch“ der Polizei im „Langen August“ kam wenige Tage nach den Durchsuchungen bei den Zwiebelfreunden in Augsburg, Jena, Berlin und Dresden. [2] Auch hier wurden polizeiliche Befugnisse in unverhältnismäßiger Weise auf Zeugen und völlig Unbeteiligte ausgeweitet.

Wir rufen daher dazu auf, bei der heutigen Demo in Düsseldorf (#NoPolGNRW) ein Zeichen zu setzen. [1] Die geplante Verschärfung der Polizeigesetze in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern geht uns alle an, die überzogenen Maßnahmen und die Überschreitungen des Erlaubten wie im Falle des „Langen August“ können morgen schon zum legalisierten Alltag werden. Wir brauchen keine verschärften neuen Polizeigesetze, sondern eher Nachschulungen bei den Verantwortlichen, wenn nicht einmal mehr das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu gelten scheint.

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