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Zuverlässigkeit von Wahlcomputer-Hersteller nach versuchter Erpressung höchst zweifelhaft

2007-03-01 00:00:00, webmaster

Die niederländische Initiative wijvertrouwenstemcomputersniet.nl ("Wir vertrauen Wahlcomputern nicht") hat mit Hilfe des dortigen Informationsfreiheitsgesetzes skandalöse Praktiken des Monopolherstellers der Software der auch in Deutschland verwendeten NEDAP-Wahlcomputer aufgedeckt.

Die Software zum Betrieb der Wahlcomputer und zur Berechnung der Wahlergebnisse ("Integriertes Wahlsystem") wird von einer Drei-Mann-Firma, die dem Holländer Jan Groenendaal gehört, hergestellt und gewartet. Die Firma programmiert im Auftrag von NEDAP auch die Software der in Deutschland verwendeten NEDAP-Wahlcomputer. Der deutsche Vertrieb, HSG Wahlsysteme GmbH, nimmt lediglich kleinere Anpassungen und die Eindeutschung vor. Die Monopolstellung der Firma von Groenendaal wirkt sich also auch direkt auf den in Deutschland ohnehin umstrittenen Wahlcomputer-Einsatz aus.

Angesichts der immer massiver werdenden Fragen nach der Überprüfbarkeit und Manipulationssicherheit von Wahlcomputern sieht Groenendaal nun offenbar seine Felle davonschwimmen. Er hat, wie durch befreite Dokumente belegt wird [1] [2] [3], offenbar versucht, die holländische Wahlbehörde zu erpressen, seine Mini-Firma aufzukaufen, da er dringend in den Ruhestand möchte. Andernfalls hat er unverhohlen damit gedroht, alle Aktivitäten einzustellen, die für die in den Niederlanden anstehenden Wahlen notwendig sind. Damit wäre die Durchführung der Provinzwahlen am 7. März gefährdet. Laut dem holländischen Innerministerium habe man die Drohung jedoch nicht ernstgenommen und betrachtet das Verhältnis zu Groenendaal schon seit zwanzig Jahren als sehr gut.

In den Niederlanden berät derzeit eine unabhängige Kommission nach den von der Initiative wijvertrouwenstemcomputersniet.nl aufgedeckten Manipulationsmöglichkeiten und Sicherheitsproblemen von Wahlcomputern die Zukunft des Wahlverfahrens und den Ablauf der Wahlen.

Herr Groenendaal tat sich schon in der Vergangenheit mit gewagten Sprüchen hervor. Er behauptete, daß man auf NEDAP-Wahlcomputern nicht Schach spielen könne. Kurze Zeit nach dieser vollmundigen Behauptung konnte jedoch live im Fernsehen gezeigt werden, wie der Wahlcomputer problemlos Schach spielte [4]. Anstatt nun seine Niederlage einzugestehen und sich auf's Altenteil zurückzuziehen, forderte er, wie in den befreiten Dokumenten belegt wird, Rop Gonggrijp, den Gründer der Initiative wijvertrouwenstemcomputersniet.nl, als Gesellschaftsfeind und Terroristen ins Gefängnis zu stecken. Sollte Gonggrijp Mitglied der holländischen unabhängigen Kommission für das zukünftige Wahlverfahren werden, drohte Groenendaal mit der sofortigen Einstellung aller Arbeiten an der Wahlsoftware.

Angesichts der nun aufgedeckten massiven Mängel an geistiger Klarheit und Demokratieverständnis des Besitzers der Monopol-Software, mit deren Hilfe auch in Deutschland in 52 Städten und Gemeinden in sechs Bundesländern gewählt wird, fordert der Chaos Computer Club die sofortige Rücknahme der Betriebsgenehmigung für NEDAP-Wahlcomputer. Es stellt sich die Frage, wie das Bundesinnenministerium überhaupt die Entstehung einer derartigen Situation dulden konnte. Offenbar hat sich bisher niemand dafür interessiert, wie die Software für die Wahlcomputer zustandekommt und welche Erpressungsmöglichkeiten und systemischen Risiken dabei billigend in Kauf genommen werden.

In den Niederlanden ist die Rolle von Groenendaals Firma derzeit Gegenstand intensiver parlamentarischer Fragen [5]. Der Chaos Computer Club fordert die Abgeordneten des Bundestages auf, dem Krisenherd Wahlcomputer mehr Aufmerksamkeit zu widmen und aktiv für die Rücknahme der Betriebsgenehmigung einzutreten.