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Chaos Computer Club reicht Wahlprüfungsbeschwerde in Hessen ein – Aufruf zur Wahlcomputerbeobachtung in Brandenburg

2008-09-24 00:00:00, erdgeist

Der Chaos Computer Club (CCC) hat wie angekündigt eine Wahlprüfungsbeschwerde in Hessen eingereicht. Die Beschwerde richtet sich gegen den Einsatz von NEDAP-Wahlcomputern in acht hessischen Gemeinden. Aufgrund der schwerwiegenden Wahlfehler in Hessen, wie etwa der Lagerung der Wahlcomputer bei Parteifunktionären und der mangelnden Einhaltung der Vorschriften zur sicheren Lagerung der Computer, ist nun zu entscheiden, ob die Wahlen in den acht betroffenen Wahlkreisen wiederholt werden müssen.

Für die am 28. September 2008 stattfindenden Kommunalwahlen in Brandenburg plant der CCC in den vom Wahlcomputereinsatz betroffenen Gemeinden eine umfangreiche Wahlbeobachtung. Um die 238 manipulationsanfälligen Wahlcomputer in den Wahllokalen nicht unbeobachtet zu lassen, werden noch Freiwillige zur Vervollständigung der Wahlbeobachterdelegationen gesucht.[1] Bei derartigen Beobachtungen Anfang des Jahres in Hessen waren zahlreiche Probleme festgestellt worden, die nun zu der Wahlprüfungsbeschwerde geführt haben, darunter eine Reihe gravierender Verstöße gegen die vorgeschriebenen Prozeduren der "sicheren Umgebungen". Selbst von Seiten der zuständigen Wahlleiter wird nun unumwunden zugegeben, dass die Sicherheit der NEDAP-Wahlcomputer gegen Manipulation ausschließlich von diesen unwirksamen Vorkehrungen abhängt.

Die Wahlbeobachtungen werden in den zehn betroffenen brandenburgischen Städten und Gemeinden - Bernau, Hennigsdorf, Mühlenbecker Land, Fredersdorf-Vogelsdorf, Neuenhagen, Hoppegarten, Teltow, Werder (Havel), Trebbin und Cottbus - von Freiwilligen durchgeführt. Dabei wird der Wahlablauf natürlich nicht gestört. Die freiwilligen Wahlbeobachter werden anhand einer Checkliste vorgehen, die auf den Erfahrungen der bisherigen Beobachtungen beruht und sich an internationalen OSZE-Standards orientiert. [2]

Wir beobachten mit Erstaunen, dass in den brandenburgischen Gemeinden weiterhin unverzagt diese Risikotechnologie eingesetzt wird. Nicht einmal die Komplettabschaffung der NEDAP-Wahlcomputer in den Niederlanden scheint den Verantwortlichen zu denken zu geben, kommentierte CCC-Sprecher Dirk Engling die Situation.

Das Bundesverfassungsgericht wird in absehbarer Zeit über die Wahlprüfungsbeschwerde gegen den Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 entscheiden. Das Ende des Wahlcomputereinsatzes in Deutschland steht also vielleicht bald zu erwarten. Das brandenburgische Innenministerium zeigt dennoch eine erstaunliche Ignoranz gegenüber der aktuellen breiten Diskussion über die Risiken und Gefahren von Wahlcomputern. So verzichtet Brandenburg anders als Hessen auf Probewahlen, die belegen sollen, dass die Computer einwandfrei arbeiten.

Die in Hessen zur Wählerberuhigung verordneten Testwahlen fallen in Brandenburg vollständig aus. Die Risiken der Wahlcomputerbenutzung werden vom Innenministerium systematisch heruntergespielt, kommentierte Dirk Engling, CCC-Sprecher.

Die Stadt Bernau (bei Berlin) entschied sich erstmals dafür, die umstrittenen NEDAP-Systeme bei den Kommunalwahlen einzusetzen. Die örtliche Wahlleiterin Heike Jura verklärte die verwendeten Wahlcomputer zu bloßen Geräten: "Die Wahlbehörde möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich bei den Geräten nicht – wie umgangssprachlich häufig fälschlicher Weise geäußert – um 'Wahlcomputer' handelt, sondern wie bereits erläutert um Stimmenzählgeräte, welche nicht an das allgemeine Computernetz angeschlossen sind, sondern mit Stimmenspeichermodulen arbeiten." [3]

Es herrscht offenbar völlige Ahnungslosigkeit bei den kommunalen Verantwortungsträgern. Selbstverständlich sind die NEDAP-Systeme vollwertige Computer, deren Software manipuliert werden kann, sagte CCC-Sprecher Dirk Engling.

Auch die Stadt Cottbus, in der sich die Stadtverordneten zunächst gegen die Wiederholung des Wahlcomputer-Experiments ausgesprochen hatten, wird nochmals geleaste NEDAP-Computer einsetzen. Die Stadt Wittenberge hingegen nahm das berechtigte Misstrauen, die undurchsichtige Kostenstruktur und die negativen Erfahrungen mit den Wahlcomputern zum Anlass, auf die intransparente Computerwahl wieder zu verzichten. Die Rückkehr zur bewährten Wahl mit Stift und Papier verdanken die Wittenberger Bürger ihrem neuen Oberbürgermeister.

Der CCC ruft alle am Fortbestand vertrauenswürdiger Wahlen Interessierten auf, an den Wahlbeobachtungen teilzunehmen und die Verantwortlichen in den Gemeinden zu befragen, woher sie ihr grenzenloses Vertrauen in Wahlcomputer nehmen.

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